Mehr als nur das erste Heben: Wie Exoskelett-Training das volle Potenzial freisetzt
- sofiadani3
- 9. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Das war eine spannende Entdeckung: Das F&E-Team von Auxivo bemerkte, dass erfahrene Nutzende unserer Exoskelette deutlich stärkere Unterstützungswerte zeigten als Personen, die sie zum ersten Mal trugen. Lag das nur an einem besseren Sitz? Oder steckte mehr dahinter? In diesem Beitrag zeigen wir, wie wir aus dieser Beobachtung eine strukturierte wissenschaftliche Untersuchung gemacht haben – mit Dutzenden Teilnehmenden, Tausenden von Kniebeugen und jeder Menge Schweiss – um herauszufinden, ob Exoskelette mit der Zeit tatsächlich wirksamer werden.

Der Ausgangspunkt
Im Arbeitsalltag bei Auxivo führen wir regelmäßig biomechanische Messungen durch – sei es bei der internen Produktentwicklung oder in Zusammenarbeit mit Forschungspartnern. Dabei nutzen wir häufig Elektromyographie (EMG), um die Muskelaktivität mit und ohne Exoskelett zu vergleichen.
Und da fiel uns etwas auf: Unser eigenes Team schien vom LiftSuit – unserem Exoskelett zur Rückenunterstützung – deutlich stärker zu profitieren als externe Erstnutzende.
Zunächst dachten wir: Klar, das liegt daran, dass unser Team den LiftSuit in- und auswendig kennt. Wir wissen genau, wie man ihn richtig anlegt, einstellt und aktiviert. Vielleicht sind wir einfach besser darin, ihn zu nutzen?

Doch eine andere Erklärung war noch spannender: Vielleicht haben sich Körper und Gehirn der erfahrenen Nutzenden im Laufe der Zeit an das Exoskelett angepasst. Vielleicht haben sie gelernt, es gezielt zu nutzen – und genau dieses Lernverhalten führt zu einer spürbar besseren Unterstützung.
Der Blick in die Wissenschaft
Frühere Studien haben Exoskelette meist bei Erstnutzenden getestet. Eine Untersuchung zeigte keinen Unterschied in der Muskelaktivität vor und nach einer kurzen Gewöhnung – allerdings beinhaltete sie nur 180 Kniebeugen. Unser Team hingegen hatte bereits Tausende absolviert. Also fragten wir uns: Wie viel Zeit und Training braucht es wirklich, bis sich Körper und Geist auf ein Exoskelett einstellen?
So lief die Studie ab
Gemeinsam mit der ETH Zürich haben wir eine strukturierte Studie entwickelt. 21 Teilnehmende, die zuvor nie ein Exoskelett getragen hatten, absolvierten jeweils 1.000 Kniebeugen in vier separaten Trainingseinheiten mit dem LiftSuit.

Das Anlegen und Aktivieren des Exoskeletts erfolgte stets durch zertifizierte Trainer, um sicherzustellen, dass die Passform keinen Einfluss auf die Ergebnisse hatte.
Zwischen den Einheiten lagen mindestens 48 Stunden – genug Zeit, damit motorische Lernprozesse stattfinden konnten. In der Neurowissenschaft beschreibt dieser Begriff, wie das Gehirn Bewegungen durch Wiederholung verfeinert, Koordination verbessert und effizienter wird. Ein zentraler Bestandteil sind Konsolidierungsphasen – also Pausen zwischen den Trainingseinheiten, in denen sich neue Bewegungsmuster festigen, insbesondere im Schlaf. Die intensive Belastung und die gezielte Pausengestaltung halfen den Teilnehmenden, das Exoskelett nach und nach in ihre Bewegungen zu integrieren.

Die Unterstützung wurde vor und nach dem Training per EMG über die Rückenmuskulatur gemessen.
Die Ergebnisse haben uns überrascht
Die Auswertung brachte selbst für uns überraschende Erkenntnisse. Wir hatten vermutet, dass sich die Unterstützung durch Gewöhnung verbessert – doch der Effekt war deutlich stärker als erwartet:
Bei statischem Vorbeugen verdoppelte sich die Reduktion der Muskelaktivität – von ca. 20 % auf fast 40 %
Beim dynamischen Heben mit Kniebeuge:
Die Entlastung im oberen Rücken stieg von 23 % auf 29 %
Die Entlastung im unteren Rücken von 10 % auf 21 %
Das deutet auf eine klare Anpassung hin: Mit der Zeit lernen Nutzende, das Exoskelett effizienter zu nutzen – und die tatsächliche Unterstützung steigt.

Was bedeutet das in der Praxis?
Die wichtigste Erkenntnis: Bei der Einführung von Exoskeletten am Arbeitsplatz sollte unbedingt eine Eingewöhnungsphase eingeplant werden. Der erste Eindruck kann täuschen – das Gerät fühlt sich möglicherweise ungewohnt an, und die volle Unterstützung ist anfangs noch nicht spürbar. Mit der Zeit jedoch wird das Exoskelett für viele zur Selbstverständlichkeit, und die Muskelentlastung nimmt deutlich zu. Wer Nutzenden die Möglichkeit gibt, sich natürlich an das System zu gewöhnen, erhält realistischere Bewertungen und bessere Langzeiteffekte.
Auch für Forschende und Produktentwickler ist das relevant: Studien, die ausschliesslich Erstnutzende betrachten, unterschätzen womöglich das wahre Potenzial von Exoskeletten.
Unsere Erkenntnisse teilen wir mit der Fachwelt
Die Ergebnisse dieser Studie werden mit der breiteren Forschungsgemeinschaft und Praxisanwendern im Bereich Exoskelette geteilt. Unsere Erkenntnisse haben wir bereits auf zwei bedeutenden Veranstaltungen vorgestellt: dem 30. Kongress der European Society of Biomechanics in Zürich sowie – demnächst – auf der WearRAcon Europe 2025 in Düsseldorf. Im Rahmen beider Konferenzen werden Abstracts veröffentlicht, die eine detaillierte Beschreibung der Methodik und Ergebnisse enthalten und so zum wachsenden Verständnis darüber beitragen, wie sich Gewöhnung auf die Leistung von Exoskeletten auswirkt.
Interesse geweckt?
Wenn Sie herausfinden möchten, wie sich diese Erkenntnisse auf Ihr Arbeitsumfeld übertragen lassen, mehr über den LiftSuit erfahren oder an zukünftiger Forschung mitwirken möchten – wir freuen uns über Ihre Nachricht. Lassen Sie uns ins Gespräch kommen – und gemeinsam herausfinden, wie Exoskelette langfristige Entlastung und Leistungsvorteile für Ihr Team bringen können.


